Jule
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Montag, 10. Juni 2024
Ich sitz im vollen Zug und arbeite an meinem Laptop. Im Zweier auf der anderen Seite des Gangs sitzt schon länger ein Mann und starrt mich an. Erst denk ich, dass ich mir das nur einbilde, oder dass er nur auf meiner Seite aus dem Fenster schaut. Aber als ich zu ihm rüber guck, seh ich, dass er mich tatsächlich anstarrt. Ich werfe ihm einen Blick so nach dem Motto: „Was soll das??“. Aber der Typ hört nicht auf zu glotzen. Ich denk mir: Bei der nächsten Station setze ich mich wo anders hin. Dann steigt er aber zum Glück aus.
Am nächsten Tag bin ich mit meiner besten Freundin bei ner offenen Töpferwerkstatt auf nem Straßenfest. Der Raum ist voll mit Müttern und glücklichen Kindern, die alle fröhlich vor sich hintöpfern. Und ich will mir auch ein Stück Ton holen. Plötzlich werde ich angelabert. Wieder von nem Mann zwischen 40 und 50. „Hey, schöne Frau“ ruft er mir zu und sieht mich dabei direkt an. Ich weich ein paar Schritte zurück. „Schöne Frau“ ruft er mir noch einmal hinterher. Ich setze mich an meinen Töpferplatz zu meiner Freundin und all den Kindern. Er steht immer noch in der Tür.
Zwei solche Begegnungen, an helllichtem Tag, mitten unter Leuten. Und trotzdem fühle ich mich nicht sicher.
Im Nachhinein denk ich mir: Ich hab mich so sprachlos gefühlt und wusste nicht, was ich dagegen tun kann. Ich hätte zu den Männern sagen können, dass sie sich übergriffig verhalten und dass das nicht in Ordnung ist. Oder ich hätte andere um Hilfe bitten können. Aber dazu war ich zu perplex und mir hat der Mut gefehlt. Ich hoffe, dass mir sowas nicht nochmal passiert, wenn ich alleine bin. Und ich wünsch mir, dass wir Frauen und Mädels uns sowas nicht länger gefallen lassen müssen.